Senior – Løken Syndrom

Etwa 10–15% der NPH-Patienten weisen eine Netzhautdegeneration im Sinne einer Retinitis pigmentosa auf. Der Begriff „Senior – Løken Syndrom“ steht für die Assoziation einer NPH mit einer Retinadegeneration. Es werden 2 Verlaufsformen unterschieden: Die frühmanifeste Retinitis pigmentosa präsentiert sich als Leber‘sche Amaurose mit ausgeprägtem Visusverlust/Blindheit, Nystagmus und abgeschwächter Pupillenrektion ab dem Säuglingsalter. Typisch ist das sog. okulodigitale Zeichen: Hierbei drücken betroffene Kinder auf ihre eigenen Augäpfel, um durch die erzeugte mechanische Stimulation der Netzhaut optische Lichtsignale zu provozieren. Fundoskopisch imponiert die Netzhaut entweder normal oder in unterschiedlichem Ausmaß dystroph mit Pigmentveränderungen. Das Elektroretinogramm zeigt ein stark abgeflachtes oder vollständig ausgelöschtes Signal. Die leichtere Verlaufsform der Retinitis pigmentosa wird als tapetoretinale Degeneration bezeichnet. Betroffene Individuen leiden unter einer progredienten Einschränkung des Gesichtsfelds (Tunnelblick) sowie unter Nachtblindheit. Fundoskopisch finden sich eine Netzhautdystrophie und Pigmentveränderungen unterschiedlicher Ausprägung.

Das Auftreten einer Retinitis pigmentosa im Rahmen einer NPH variiert stark in Abhängigkeit von den zugrunde liegenden Mutationen (6–13% bei NPHP1–3, 33% bei NPHP4, 80% bei NPHP10,  100% bei NPHP5, NPHP6 und IFT140). Etliche Gene, die eine NPH oder einen NPH-ähnlichen Phänotyp hervorrufen können, sind an der Entwicklung von Fotorezeptoren beteiligt bzw. können als „Modifier“ bei deren Abbau fungieren.

Senior - Løken Syndrom - tabellarische Zusammenfassung
Synonyme
  • Nephronophthise mit retinaler Dystrophie
  • SLSN
Hauptauffälligkeiten
  • Nephronophthise mit chronischer Niereninsuffizienz
  • Retinadegeneration/Leber‘sche Amaurose
  • Progredinete Gesichtsfeldeinschränkung/Tunnelblick
  • Nachtblindheit
Ergänzende Befunde
  • Polyurie/Polydipsie
  • Anämie
Manifestation Kleinkindalter; Erblindung abhängig von zugrundeliegender Mutation
Häufigkeit ca. 1:1.000.000
Vererbung Autosomal rezessiv
Pathogenese Die Genprodukte der betroffenen Gene kodieren für Proteine, die an Verbindungszilien der retinalen Fotorezeptoren lokalisiert sind. Durch Mutation dieser Proteine kommt es zu Störungen des Transports des Sehfarbstoffs Rhodopsin und folglich zum Untergang der Fotorezeptoren.
Verlauf, Prognose Der Krankheitsverlauf ist je nach verursachender Mutation stark variabel. Der Visusverlust kann langsam progredient sein, alternativ besteht bereits bei Geburt eine vollständige Blindheit. Die progrediente Niereninsuffizienz führt zumeist im Jugendalter oder frühen Erwachsenenalter zur Dialysepflichtigkeit.
Therapie Keine kausale Therapie. Supportive Behandlung der Niereninsuffizienz sowie der Sehschwäche.

Bislang bekannte Senior - Løken Gene
Syndrombezeichnung Genbezeichnung OMIM – Gennummer
1 SLSN1 NPHP1 607100
2 SLSN3 NPHP3 608002
3 SLSN4 NPHP4 607215
4 SLSN5 IQCB1/NPHP5 609237
5 SLSN6 CEP290/NPHP6 610142
6 SLSN7 SDCCAG8 613524
7 SLSN8 WDR19/IFT144 608151
8 SLSN9 TRAF3IP1 607380

Stand – 25.04.2018


Quellen
  • Ronquillo CC, Bernstein PS, Baehr W. Senior-Loken syndrome: a syndromic form of retinal dystrophy associated with nephronophthisis. Vision Res. 2012;75:88–97
  • Wang J, Deretic D. Molecular complexes that direct rhodopsin transport to primary cilia. Prog Retin Eye Res. 2014;38:1–19.